»Es ist leicht, die Idee der Entkolonialisierung in Verbindung mit Rassismus zu bringen. Denn der alltägliche Rassismus führt direkt zu der Erfahrung, selbst zum »Anderen« zu werden. Die herrschenden Vorstellungen rufen in uns ein Gefühl von Übergriffigkeit, Besitzer- greifung und Entfremdung hervor und machen uns zu Untergeordneten oder seltsamen Exoten. In diesem Sinne heißt Entkolonialisierung die Umkehr des Prozesses der Entfremdung, der Enttäuschung und Entstellung.« Grada Kilomba, 2010
DEKOLONISIEREN
Der Kolonialismus war kein einmaliges Ereignis, keine klar umrissene Epoche, kein auf ein bestimmtes Gebiet bezogenes Phänomen. Kolonialismus war und ist ein globales System der Herrschaft der Einen und der Unterwerfung und Ausbeutung der Anderen, das sich tief in die kolonisierten und die kolonisierenden Gesellschaften eingeschrieben hat, in soziale, politische und ökonomische Verhältnisse, in Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsabläufe, in Architekturen und Denkmäler, in unser Denken und Handeln. Diese Kolonisierung erneuert sich permanent und dauert nach wie vor an. Gleichzeitig wird sie überlagert und unterlaufen von dekolonisierenden Prozessen und Praxen.
Dekolonisieren heißt, die kolonialen Spuren und Ablagerungen in Köpfen und Gesellschaft aufzuzeigen und abzutragen. Dekolonisieren bedeutet Befreiung und Verlernen, d. h. die bewusst und unbewusst eingelernten kolonialen und rassistischen Weltbilder, Denkweisen, Praxen und Privilegien aktiv zu verlernen. Dekolonisieren ist damit gleichermaßen ein Prozess und das Ziel.